Veranstaltung im Siegburger Stadtmuseum: „Kunststoff ist ein geiler Werkstoff“

Veranstaltung im Siegburger Stadtmuseum am 4. September 2019:

„Kunststoff ist ein geiler Werkstoff“

Branche stellt sich die Frage nach Zukunft im Verbund

Mit über 60 Personen war das Siegburger Stadtmuseum an einem Mittwochmorgen um 10 Uhr ungewöhnlich gut besucht. Und mit Bürgermeister Franz Huhn sowie der Landtagsabgeordneten Katharina Gebauer konnte Harald Braschoß vom Vorstand des Gastgebers „Interessengemeinschaft Kunststoff“ (IGK) - neben einer Vielzahl von Geschäftsführern der regionalen Kunststoffbranche und Vertretern wichtiger Interessengruppen - eine Reihe von einflussreichen Gästen begrüßen. Moderiert wurde der Vormittag von Journalistin und PR-Beraterin Katharina Müller-Stromberg.
Gleich im ersten Vortrag machte Stephan Hagen, Präsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg, keinen Hehl aus seinem Faible für die Möglichkeiten, die Kunststoff bietet: „Kunststoff ist ein geiler Werkstoff! Und die Region ist nach wie vor ein bedeutender Standort für Kunststoffe." Nicht nur das weltweit erste Kunststoff-Fenster stamme von hier, auch der erste Vinylboden der Welt oder eines der ersten Kunststoffrohre überhaupt. Außerdem räumte er mit einigen Vorurteilen auf und skizzierte die Verteilung des Erdölverbrauchs: 35 % würden verheizt, 29 % im Verkehr verbrannt und lediglich 4 % entfielen auf die Herstellung von Kunststoffen. „Nicht die Kunststofftüten auf den Weltmeeren sind das Problem, sondern der Mensch“, mahnte Hagen und ergänzte: „Man kann Steuern auch verwenden, um Verhalten zu steuern“ und rief dazu auf, mehr fürs Recycling zu tun. Und: „Ohne Kunststoff hätte Greta Thunberg in die USA schwimmen müssen, denn das Boot, mit dem sie fuhr, war aus Kunststoff“.

Michael Jäger, Vorstandsvorsitzender von „Arbeitgeber Köln e. V.“ hakte ein und wagte einen Blick in die Zukunft: „Welche Technologien werden zukünftig wichtig? Elektromobilität ist wichtig, aber nicht die wahre Lösung. Wichtiger wird langfristig in jedem Fall der Faktor Mensch.“ Hier gelte es die richtige Qualifizierung weiterzugeben: „Welche Anforderungen werden an die Arbeit der Zukunft gestellt? Welche Wünsche haben die jungen Leute an ihr zukünftiges Berufsleben? Wie lässt sich beides miteinander verbinden und wer sorgt für die nötige Qualifikation?“

„Eine Antwort bietet möglicherweise die IGK mit ihrem dreigliedrigen Ausbildungssystem im Firmen-Verbund, mit dem Leistungen für Auszubildende und Unternehmen generierbar sind, die sonst nur bei Großunternehmen praktiziert werden“, erklärte IGK-Geschäftsführer Heinz Palkoska.

Bereits heute engagieren sich im 2002 gegründeten Kunststoffnetzwerk 44 Unternehmen der Region mit insgesamt über 2.500 Mitarbeitern, die gemeinsam einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro erwirtschaften. Das Netzwerk arbeite erfolgreich mit dem System der Verbundausbildung, die allen Mitgliedsunternehmen zugutekommt und u. a. ein Instrument zur Begegnung der strukturellen und demografischen Entwicklung darstellt.

„Um den politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, muss dem Erkennen und Umsetzen von Verbesserungspotentialen zwingend eine höhere Bedeutung zukommen“, sagt Palkoska. Beispielhaft gelungen sei dies in der Konzeption und Herstellung von Abgasreinigungsanlagen, wo gleich zehn regionale IGK-Unternehmen betriebsübergreifend und prozessverbindend zusammenarbeiten.
Mit der Vernetzung von Unternehmen und Aktivitäten, Zusammenarbeit sowie gegenseitigem Unterstützen böten sich Leistungsreserven, die darauf warteten, gehoben zu werden.
Bis 2022 werden nach aktueller Erhebung, so Palkoska, über 200 Mitarbeiter der IGK-Mitgliedsunternehmen altersbedingt ausscheiden. Durch technologischen Fortschritt, Digitalisierung etc. sind weitere Defizite erkennbar. Das Schließen dieser quantitativen und qualitativen Lücken wird zur besonderen Herausforderung, auch bezüglich Aus- und Weiterbildung und auch weil man sich als KMU zunehmend Nachwuchsbewerber mit erhöhtem Förderbedarf stellen muss!

„War die Jugend früher besser?“

Moderatorin Katharina Müller-Stromberg nahm den Ball auf und richtete die Frage an Ursula Heinen, Leiterin des Georg-Kerschensteiner-Berufskollegs in Troisdorf: War die Jugend früher besser oder nervt es Sie, wenn ständig auf der Jugend herumgehackt wird?“ Ursula Heinen erinnerte daran, dass bereits Aristoteles etwas Ähnliches über die zeitgenössische Jugend damals geäußert hat: „Nein“, sagt sie „sie ist anders. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Jugend eine Reihe von neuen Qualifikationen mitbringt, die wir für zukünftige Aufgaben unbedingt benötigen, wie digitale Kompetenz und Offenheit gegenüber Internationalität. Sie bringen Soft Skills mit, die wir noch brauchen werden, die sich aber fulminant von denen der Älteren unterscheiden.“

Peter Müller, Geschäftsführer des Hennefer Unternehmens Hoka (Hersteller von Lüftungsformteilen und Lüftungsanlagen) und Vorstandsmitglied der IGK, griff ein Manko in der Schulausbildung auf: „Wir unterstützen unsere Azubis dabei, ihre Defizite in Mathematik oder Deutsch aufzuarbeiten, in dem wir zusätzlichen internen Unterricht anbieten.“ Martina Deus, Geschäftsstellenleiterin der Arbeitsagentur Siegburg, bot den Unternehmen ebenfalls Hilfe an. Die Agentur offeriere Förderkurse und berate Jugendliche intensiv bei der Auswahl geeigneter Ausbildungen. Gleichzeitig appellierte sie an die Firmenvertreter, offene Ausbildungsstellen zu melden und die Eltern „mit ins Boot zu holen“.

Das Image muss besser werden

Beim Image der Berufsbezeichnungen in der Kunststoff-Industrie herrschte Einigkeit, der sei „nicht sexy“, brachte es Stephan Hagen auf den Punkt: „In Österreich heißt der Beruf Kunststoff-Technologe.“ Das fasste Peter Müller zusammen: „Letztendlich muss das Berufsbild attraktiver gestaltet werden und in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert erhalten. Auch um von jungen Frauen als attraktive Alternative zu einem Bürojob anerkannt zu werden.“

Als Abschluss gab es den Appell an die Unternehmer, dass Sie nicht nur Mitglieder sind, sondern auch aktiv werden müssen. An Veranstaltungen und an der Arbeit innerhalb der IGK teilnehmen, um das Netzwerk und dessen Möglichkeiten weiter auszubauen.

IGK-Vorstandsvorsitzender und Hoka-Geschäftsführer Peter Müller (rechts) appellierte an die Unternehmer, sich aktiver einzubringen

Ursula Heinen, Leiterin des Georg-Kerschensteiner-Berufskollegs in Troisdorf: „Die Jugend bringt heute eine Reihe von neuen Qualifikationen mit, die wir für zukünftige Aufgaben unbedingt benötigen, wie digitale Kompetenz und Offenheit gegenüber Internationalität.“ Links im Bild Michael Jäger, Vorstandsvorsitzender „Arbeitgeber Köln e.V.“

IGK-Geschäftsführer Heinz Palkoska: „Bereits heute engagieren sich im 2002 gegründeten Kunststoffnetzwerk IGK 44 Unternehmen der Region mit insgesamt über 2.500 Mitarbeitern, die gemeinsam einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro erwirtschaften.“

„Kunststoff ist ein geiler Werkstoff! Und die Region ist nach wie vor ein bedeutender Standort für Kunststoffe", stellte Stephan Hagen, Präsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg, fest.

(v.l.n.r.) Katharina Müller Stromberg, Moderation, Heinz Palkoska, Geschäftsführer IGK, Stephan Hagen, Präsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg, Michael Jäger, Vorstandsvorsitzender „Arbeitgeber Köln e.V.“, Ursula Heinen, Leiterin des Georg-Kerschensteiner-Berufskollegs in Troisdorf, Martina Deus, Geschäftsstellenleiterin der Arbeitsagentur Siegburg, und Peter Müller, IGK-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer der Hoka in Hennef.

Journalistin und PR-Beraterin Katharina Müller-Stromberg moderierte die Veranstaltung