Eine neue Perspektive

In Syrien hat Saeed Sheiko als Tischler gearbeitet. Nach seiner Flucht absolvierte der 50-Jährige eine Ausbildung in Troisdorf.

Als Saeed Sheiko im August 2015 mit seiner Familie aus Syrien floh und nach Deutschland kam, war vieles ungewiss. Kein Job, keine Sprachkenntnisse und viele Herausforderungen. Eine neue Perspektive fand er durch eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer beim Kunststoffverarbeitungsunternehmen Röchling Industrial in Troisdorf und der Interessengemeinschaft Kunststoff (IGK), einem Zusammenschluss von Unternehmen aus der Region Bonn/Rhein-Sieg.

„In Syrien war ich als Tischler tätig und habe dort beispielsweise Küchen montiert. Auch sonst war ich immer handwerklich sehr aktiv“, erzählt Saeed Sheiko. Der 50-jährige Vater von vier Kindern floh vor sieben Jahren aus Aleppo nach Deutschland. „Natürlich habe ich mich auch hier auf verschiedene Jobs beworben. Aber als Monteur hatte ich aufgrund meiner fehlenden Sprachkenntnisse keine Chance.“

Verschiedene Aushilfsjobs hatte der Familienvater in Deutschland, bis er auf das Gemeinschaftsprojekt der IGK in Troisdorf aufmerksam wurde. „Über die Agentur für Arbeit habe ich von der Möglichkeit erfahren, eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer zu absolvieren. Das war für mich natürlich die Chance, hier in der Region anzukommen. Daher habe ich mich auch schnell dazu entschieden, bei dem Programm dabei zu sein.“

Im Rahmen des Projektes werden Geflüchtete von der IGK in Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Agentur für Arbeit ausgebildet. „Die Idee für das Projekt entstand bereits 2016, da immer mehr Mitgliedsbetriebe von Schwierigkeiten berichteten, Fachpersonal zu finden “, erklärt Heinz Palkoska, Kontaktleiter Aus- und Weiterbildung bei der IGK. Der Verband setzt sich als Kooperation von Unternehmen aus der Kunststoffbranche in der Region Köln, Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis für die Belange und Interessen der Mitgliedsunternehmen ein.

Helmut Hegemann, Werkleiter bei Röchling Industrial in Troisdorf, erfuhr über eine Veranstaltung des Verbandes von dem Projekt. „Der Fachkräftemangel ist ein Thema, das auch uns immer stärker beschäftigt und umtreibt. Es wird schwieriger, gut ausgebildetes Personal für unterschiedliche Fachbereiche zu erhalten“, so Hegemann. Als er von der Idee erfahren habe, Flüchtlinge auszubilden, sei die Firma direkt sehr interessiert gewesen. Neben drei weiteren Geflüchteten absolvierte Saeed Sheiko seine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer in Zusammenarbeit mit Röchling Industrial: „Sechs Monate war ich im Unternehmen tätig und habe dort an den Maschinen in der Praxis gelernt“, erzählt Sheiko. Die theoretischen Kenntnisse und sprachlichen Grundlagen wurden in der Lehrwerkstatt der IGK vermittelt. „Zu Anfang war es für mich aufgrund der Sprache schwierig. Aber die Leute hier im Unternehmen waren sehr freundlich und haben mir jederzeit geholfen“, so der 50-Jährige.

Im Februar standen die praktische und die theoretische Abschlussprüfung für Sheiko an. „Bei der schriftlichen Prüfung hatte ich Schwierigkeiten, da ich Aufgaben teilweise nicht richtig verstanden habe. Der praktische Teil war für mich einfacher.“ Trotz Sprachbarrieren hat er beide Prüfungen erfolgreich bestanden.

Seitdem arbeitet er Vollzeit bei Röchling Industrial in Troisdorf. „Aktuell hat er einen Jahresvertrag, aber wir können uns sehr gut vorstellen, ihn weiterhin zu beschäftigen. Sofern er denn will“, meint Gabi Ufer, Personalreferentin in Troisdorf. Dass er weiterhin hier arbeiten möchte, steht für Sheiko außer Frage. „Die Ausbildung und die Arbeit bei Röchling gefallen mir sehr gut. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, möchte ich gerne bleiben und weiter hier arbeiten.“ Dann würde er sich auch eine neue Wohnung für sich und seine Familie in der Nähe zum Unternehmen suchen.

„Das Projekt war für uns Neuland, aber wir sind froh, den Schritt gewagt zu haben“, so Wilhelm Korte-Dirxen, Geschäftsleitung in Troisdorf. Einerseits können wir so Nachwuchs für unsere Stellen ausbilden und ermöglichen den Flüchtlingen andererseits eine neue Per­spektive in Deutschland. Das alleine macht das Projekt aus meiner Sicht zu einem Erfolg.“ Das Unternehmen möchte auch zukünftig weiter solche Initiativen unterstützen. Es handele sich um ein Gemeinschaftsprojekt, das von dem Austausch und der Zusammenarbeit der jeweiligen Organisationen lebt, heißt es bei Röchling. Das Jobcenter Rhein-Sieg hatte den Kontakt zu den Geflüchteten und traf eine Vorauswahl. Personen, die seit drei bis vier Jahren Bezüge erhielten und bei denen ein Einstieg in den Beruf bevorstand, wurden im ersten Schritt ausgesucht. Diese wurden zunächst zu einer Infoveranstaltung der IGK eingeladen.

Das Prinzip der Ausbildung beruht auf sogenannten Teilqualifizierungen, die von der IHK festgestellt werden. Insgesamt müssen die Auszubildenden vier Kompetenzfeststellungsverfahren bestehen, um an der externen Abschlussprüfung teilzunehmen. Diese wird wie bei einer normalen Ausbildung auch von der IHK abgenommen und besteht aus einer theoretischen sowie einer praktischen Prüfung. Finanziert wurde das Projekt von den Jobcentern über sogenannte Bildungsgutscheine und das Qualifizierungschancengesetz.

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